Die Spanische Kapelle
Als Eleonora von Toledo die Gemahlin des Großherzogs Cosimo I. wurde, brachte sie naturgemäß ihre spanischen Gefolgsleute, und diese ihre Familien, mit. Damit sie in Ruhe ihre Gottesdienste feiern konnten, wurde ihnen der prächtige Kapitelsaal zur Verfügung gestellt. Die prachtvolle Ausstattung ist aber viel älter.
An der Stirnseite sehen Sie die Kreuzigung Christi oben, links vom Altar den Kreuzweg und rechts mein Lieblings-Sujet in der Toskana: Christus in der Vorhölle – ein bei uns eher unbekanntes Thema, in der Toskana jedoch weit verbreitet.
Wenn Sie sich an das “Vater unser” erinnern, dort gibt es den Passus
gelitten unter Pontius Pilatus
gekreuzigt, gestorben, begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten.
In älteren Fassungen beteten wir noch: hinabgestiegen in die Hölle
Darum geht es.
Nachdem Christus am Nachmittag gekreuzigt und am Abend begraben worden war, und bevor er “am dritten Tage”, also am Ostersonntag, aufersteht, was macht er da dazwischen? Er liegt nicht einfach im Grab herum, er ist aktiv – wie übrigens auch nach seiner Auferstehung, als er zuerst Maria Magdalena, dann dem ungläubigen Thomas und dann den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emaus begegnet. Sehr tot ist Christus also zu keiner Zeit.
Bevor wir uns Christi Höllenfahrt anschauen, müssen wir uns zuerst mit dem Konzept Hölle befassen. Nach christlicher Auffassung sitzen ALLE Toten, und zwar seit den ersten beiden Menschen Adam und Eva, in der Hölle und warten auf Erlösung. Genau genommen sitzen sie in der Vorhölle, zumindest jene von ihnen, die nach dem Tod Christi in den Himmel kommen sollen. Denn davor ist das Himmelreich noch fest verschlossen. Kaum aber, dass Christus gestorben ist, ist das Himmelreich offen und die Seelen können eintreten, als erster übrigens der “gute Schächer”, der mit Christus gemeinsam gekreuzigt wurde.
Nun aber, kaum gestorben, macht sich Christus in besagte Vorhölle auf, um alle guten Seelen zu befreien. Mit einem “Hoppla, jetzt komm ich” tritt Christus das Höllentor ein und überrascht damit den Teufel, der sich dahinter befindet und nun prompt von der Tür erschlagen wird.
Die ersten, die Christus befreit, sind Adam und Eva, doch gerade die will der Teufel nicht gehen lassen, sind sie doch seit Anbeginn der Zeit bei ihm. Sie sehen hier, wie der Teufel versucht, unter der Tür hervorzukriechen, um all das zu verhindern.
Doch nicht nur Adam und Eva sitzen in der Vorhölle, sondern alle guten Menschen, die vor Christus gestorben sind und daher nicht ins Himmelreich eintreten konnten – und auch einige Zeitgenossen, von denen wir annehmen dürfen, dass sie in den Himmel kommen werden.
Johannes der Täufer z.B. ist immer leicht zu erkennen an seinem langen Kamelhaar-Kleid.
Aber am allerschönsten sind die Teufel auf der rechten Seite: Mannsgroß, in bunten Farben und breiten Flügeln, stehen sie da und verfolgen das Geschehen. Sie blicken auf Christus und können es nicht fassen, dass da tatsächlich grade einer ihre Seelen raubt!